Mönchengladbach, 03.12.2020

In Mönchengladbach-Rheydt, ganz nahe des Maarplatzes, sticht momentan ein Gebäude mit seinen warmen, herbstlichen Rottönen hervor: das Haus von Heiner Jacken. Dort brachte er vor über dreißig Jahren eine Fassadenbegrünung an. Wir waren kürzlich vor Ort zu Gast und haben uns von den bisherigen Erfahrungen berichten lassen.

Grünpflanzen in Innenstädten sind aktuell, besonders in Metropolen, kaum anzutreffen. Doch eine vertikale Begrünung kann einen erheblichen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten, indem sie die bauphysikalischen Eigenschaften von Gebäuden verbessert und dabei gleichzeitig die Umgebung ökologisch aufwertet. So tragen bspw. Pflanzen als Schadstofffilter nicht nur zur Verbesserung der Luftqualität bei, sie haben auch einen erheblichen Einfluss auf die Psyche der Menschen.

Viele gute Gründe für das Healthy Building Network, sich auch mit diesem Thema näher zu befassen. Mit diesem Praxisbeispiel möchten wir Ihnen zeigen, wie viel Wirkung bereits solch kleine, kostengünstige und altbewährte Maßnahmen haben können.

Die Wahl bei Jacken fiel auf den Wilden Wein (Parthenocissus quinquefolia), auch Selbstkletternde Jungfernrebe genannt. Dieser wurde sowohl auf der Straßen- als auch auf der Innenhofseite angelegt.

Die Vorteile im Überblick

  • Einfache Anbringung & Kontrolle der Wuchsfläche: Die Pflanze stellt keine besonderen Anforderungen an ihren Standort und wächst nahezu überall. Es sind nur ein oder zwei Pflanzen notwendig, um eine komplette Hauswand in nur kurzer Zeit (zwei bis drei Jahre) zu begrünen. Als s. g. „Selbstklimmer“ kommt der Wilde Wein auch ohne jegliche Kletterhilfe aus. Um nicht auf Nachbargebäude zu gelangen, kann er einfach über kleine Barrieren aufgehalten werden. Hier eignet sich bspw. schon eine simple Plexiglasscheibe.

    Plexiglasscheibe als Wuchsbarriere

  • Schutz des Fundaments: Bei Gewitter und Regen im Sommer bleibt die Fassade trocken, da das Wasser über die Blätter abtropft. Die entlang der Blattspitzen verlaufenden Wurzeln nehmen viel Wasser auf und helfen so, die Fundamente trocken zu halten.
  • Einfache Pflege: Er ist nicht nur frosthart, sondern auch hitzeresistent und es werden weder eine aufwändige Bewässerungsanlage benötigt, noch ist die Zugabe zusätzlicher Nährstoffe notwendig. Einmal gepflanzt, ist also kaum mehr Pflege notwendig.
  • Wohlfühlfaktor: „Man kommt immer gerne nach Hause in so eine grüne Oase – erst recht im Herbst, wenn die hübsche Rotfärbung beginnt“, sagt Barbara Schwinges von der Wirtschaftsförderung Mönchengladbach, die einer von neun Projektpartnern des Healthy Building Networks ist.. Sie lebte bis vor wenigen Jahren noch selbst in einer der Wohnungen des Hauses und denkt gerne an die Zeit zurück.
  • Temperaturregulierende Wirkung: Zeitgleich wirken die Blätter isolierend im Sommer. „Es ist im Sommer wirklich angenehm kühl“ so Schwinges. Jacken spricht sogar von gefühlten ein bis zwei Grad weniger, je nach Raum und Lage. Vor allem im Innenhof sorgt die Bepflanzung für Kühle im Sommer und eine schöne Atmosphäre. Im Winter dagegen wirft der Wilde Wein seine Blätter ab. Nach dem Abfallen der Blätter kann die Sonne im Winter ungehindert das Gebäude bestrahlen, und das sorgt für Wärme! Der Kühleffekt durch Blätter ist also im Winter ausgehebelt – was ein erheblicher Vorteil gegenüber immergrüner Begrünung ist.
  • Nahrung für Bienen, Insekten und Vögel: Im Frühsommer verströmen die weißlichen Blüten einen leichten Duft von Gewürznelken und bieten eine Nektarquelle für Bienen und andere Insekten. Im Spätsommer/ frühen Herbst dann wachsen kleine Beeren, die optimale Nahrungsquelle für Vögel.

Nachteile?

Den Einwand, dass die Haftscheiben das Mauerwerk beschädigen könnten kann Jacken nicht bestätigen. „Anders als bspw. beim Efeu, wächst die Pflanze nicht in Spalten, auch hebelt sie nicht den Putz vom Mauerwerk“, berichtet er. Barbara Schwinges ergänzt: „Und auch das Vorurteil von Insekten oder Ungeziefer in der Wohnung stimmt überhaupt nicht. Ich hatte genauso viele bzw. wenige Tiere in der Wohnung, wie in unbegrünten Häusern auch“.

Ein vermeintlicher Nachteil, der Heiner Jacken einfällt, ist die Tatsache, dass der Wilde Wein zwei bis dreimal im Jahr an bestimmten Stellen, wie bspw. den Fenstern, beschnitten werden muss. Daneben wirft er im Winter das Laub ab, sodass ein Auffegen notwendig ist.

Aber ob dies wirklich gewichtige Nachteile sind, liegt am Ende im Auge des Betrachters.

Fotos: Anastasia Araktsidou, Barbara Schwinges