Gesundes Bauen mit Holz – Ein Interview mit Markus Steppler von DERIX Holzleimbau

Niederkrüchten, 27. August 2020

Gesunde Baustoffe und Materialien – ein elementarer Faktor, wenn es um gesunde Gebäude geht. In unserem heutigen Beitrag befassen wir uns mit dem Thema Holzbau. Wir haben mit Markus Steppler von der Firma DERIX Holzleimbau über das Bauen mit Holz gesprochen. Im Interview führt er in das Thema „Bauen mit Holz“ ein und geht auf dessen Besonderheiten, Herausforderungen und Vorteile für Umwelt und menschliche Gesundheit ein.

Ein Interview mit Markus Steppler.

Was genau bedeutet Bauen mit Holz?

Holz ist einer der ältesten Baustoffe dieser Welt – und zugleich, mit den neuen Fertigungsmethoden, einer der modernsten. Bauen mit Holz bedeutet heutzutage digitales und nahezu vollständig automatisiertes Bauen. Es werden ganze Wand- und Deckenelemente oder sogar ganze Räume modular und seriell in hoher Vorfertigung in Massivholz hergestellt. Dabei ist der Einsatz von Holz im Bauen vielfältig: Vom reinen Hallentragwerk (etwa für Supermärkte, Logistik-, Sporthallen oder Flughafenterminals) bis hin zu mehrgeschossigen Gebäuden im Wohnungsbau oder für Bürogebäude sind heute vielfältige Einsatzgebiete vorhanden. Dabei kommen Träger, Stützen, Wand- und Deckenelemente in vielfältigen Dimensionen zum Einsatz. Oft wird das Holztragwerk noch ergänzt durch konventionelle Bauteile etwa in den Untergeschossen, Fundamenten oder im Treppenhauskern. In Deutschland ermöglichen die Neuerungen in vielen Landesbauordnungen bereits das Bauen mit Massivholz bis hin zu Hochhäusern – und weltweit gibt es auch hierfür bereits einige eindrucksvolle Beispiele.

Was ist beim Bauen mit Holz besonders und welche Vorteile bringt es mit sich?

Holz ist in erster Linie deswegen einzigartig, als dass es der einzig natürlich nachwachsende Baustoff der Welt ist. Das Bauen mit Holz ist meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit, mit der wir an unserer Welt nicht weiter Zerstörungen vornehmen müssen und trotzdem weiter bauen können. Zudem ist Bauen mit Holz auch die einzige Möglichkeit, klimaneutral zu bauen. Während die Herstellung von Beton / Zement für einen großen Teil der weltweiten CO²-Emissionen verantwortlich ist, binden Holzbauteile sogar langfristig CO² im gewachsenen Tragwerk. Das heißt, über den Substitutionseffekt und den zusätzlichen Bindeeffekt hat Holz gegenüber Beton eine negative CO²-Bilanz – unterstützt durch die nachhaltige Forstwirtschaft in Europa. Weiterhin erzeugen Holzwände und –decken ein sehr angenehmes und gesundes Raumklima, sie haben eine sehr hohe Tragfähigkeit und können damit auch in schlankeren Wandkonstruktionen erstellt werden. Das gibt wiederum Raumgewinn und ermöglicht durch die leichtere Bauweise auch eine schlankere Fundation oder eine Aufstockung im Bestand.

Mit welchen Vorurteilen gegenüber Bauen mit Holz sehen Sie sich regelmäßig konfrontiert?

Holz brennt. Natürlich brennt Holz. So wie auch Möbel brennen, Bodenbeläge, Einrichtungsgegenstände etc. Holz im Tragwerk brennt aber sehr gleichmäßig ab, bildet eine Pyrolyseschicht und kann daher sehr genau auf seine Tragfähigkeitsdauer während eines Brandes bemessen werden. Stahl hingegen versagt irgendwann plötzlich während des Brandes, ohne dass man dem Stahl dies ansehen kann. Unter diesen Erkenntnissen wurden auch zahlreiche Bauordnungen bereits pro Holzbauweise angepasst.

Holz verrottet. Natürlich verrotten einige Holzarten irgendwann, wenn sie es jahrelang Wasser und Witterung aussetzen. Ich beziehe mich aber auf das Holztragwerk, das eigentlich immer vor Witterungseinflüssen geschützt wird und damit eine sehr lange Lebensdauer hat. Sehen Sie sich asiatische Tempelanlagen oder norwegische Stabkirchen an, die komplett aus Holz bereits seit vielen hundert Jahren bestehen. Hier fragt niemand mehr nach Dauerhaftigkeit. Es kommt immer auf eine gute Planung an.

Welche Gründe sind Ihrer Meinung nach ausschlaggebend hierfür?

Beim Brandschutz ist es meines Erachtens nach klar die deutsche Geschichte, insbesondere die Bilder, als im Weltkrieg durch Brandbombenangriffe viele Holzdecken in den Innenstädten zerstört wurden. Diese Bilder sind noch in vielen Köpfen fest verankert. Auf diesen Grundlagen hin wurde Holz auch jahrzehntelang pauschal in höheren Gebäuden ausgeschlossen. Heute weiß man zum Glück mehr über Brandverhalten von Massivholz im Vergleich zu Stahl und Beton, lernt auch von anderen Ländern und hat politisch auch bereits positiv reagiert.

Bei den Themen der Langlebigkeit ist meines Erachtens noch immer nicht das Wissen über den modernen Holzbau in allen Fachkreisen vollumfänglich vorhanden – Ich möchte behaupten, dass in der Fachwelt und auch in der Ausbildung Begriffe wie X-LAM oder Cross Laminated Timber noch nicht überall durchdrungen sind. Unsere Aufgabe ist es nach wie vor, und wird es auch noch die kommenden Jahre sein, dieses Wissen weiter zu verbreiten und durch weitere Projekte auch in die Masse zu tragen.

Auch wenn es immer mehr Holzhäuser gibt, in der Breite ist das Bauen mit Holz noch nicht angekommen. Woran liegt das? Spielen hier ggf. die Kosten eine tragende Rolle?

Ich glaube, auch das hat insbesondere mit der fehlenden Fach- und Produktkenntnis zu tun – nicht nur der Bauherr kennt die heutigen Möglichkeiten mit Massivholz nicht, sondern auch eine Vielzahl von Fachplanern und Architekten. Aufklärungsarbeit, Referenzprojekte und Wissensverbreitung (auch in Studium und Lehre) sind die maßgebenden Faktoren. Denn außer diesem gibt es keinen Grund, warum Holz nicht tragender Bestandteil jeden Gebäudes sein sollte – die positiven Auswirkungen auf unsere Erde und unser Klima sind ja bekannt.

Glauben Sie, dass sich Holzbau langfristig durchsetzen wird?

Das ist nur eine logische Konsequenz. Sie könnten auch fragen, ob sich Windkraft oder Solarenergie langfristig gegen Kohlekraftwerke durchsetzen werden. Ähnlich wie auf Dauer auch erneuerbare Energien oder alternative Automobilantriebe unverzichtbar werden, wird sich auch Holz gegenüber Beton und Stahl noch im 21. Jahrhundert vollständig durchsetzen. Natürlich werden recycelter Stahl und Beton für gewisse Bauteile nach wie vor benötigt, aber im Wesentlichen wird Holz das Tragwerk ersetzen. Nicht zuletzt wird das Thema „Gesunde Räume“ auch eine maßgebliche Rolle einnehmen – die Vision ist, dass wir innerhalb von Gebäuden ein gesünderes Klima schaffen, als draußen an der frischen Luft.

Welchen Herausforderungen sehen Sie sich zukünftig entgegen?

Die Betonlobby ist vor Allem in Deutschland stark. Holzbauverbände agieren dagegen sehr kleinteilig, die Wirkung kann dadurch etwas untergehen. Ich glaube aber, dass jeder einzelne Mensch, der an unsere Zukunft denkt, aber auch automatisch Teil der Holzlobby ist. Daher ist die zentrale Herausforderung, weiter und weiter Wissen zu verbreiten, die Leidenschaft für klimaneutrales und gesundes Bauen weiter zu entfachen und die Themen der jüngeren Generationen nun auch in voller Breite in die Gesellschaft zu bekommen. Holzbauprojekte sind meist auch architektonische Highlights – Diese Referenzprojekte im Holzbau sind schön, aber das klare Ziel muss es sein, alle sogenannten „Standardbauten“ in den Dörfern, Vororten und Städten ebenfalls komplett in nachhaltiger Holzbauweise umzusetzen.

Welche Beziehung besteht zwischen Holz und der menschlichen Gesundheit?

Holz verbessert das Innenraumklima zum einen, dass es Feuchtigkeit schnell aufnimmt und auch geregelt wieder an den Raum abgibt. Zudem emittiert Holz als sichtbares Wand- oder Deckenelement diverse Stoffe, die sich positiv auf unsere Gesundheit auswirken. Gehen Sie mal im Wald spazieren und genießen Sie diese Stoffe, insbesondere im Nadelwald. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie holen sich den Wald nach Hause oder ins Büro. Es gibt sogar Studien, die eine gesenkte Herzfrequenz von Schulklassen in Holzgebäuden feststellt, und es gibt Anzeichen dafür, dass gewisse emittierte Substanzen aus Nadelholz (Terpenoide) Krebszellen abtöten können.

Welche Rolle spielen Innovationen im Holzbau? Hat sich Holz als Baumaterial weiterentwickelt? Und welches Themenfeld muss noch erforscht werden?

Der Holzbau ist von Innovationen geprägt. Es vergehen immer nur wenige Wochen, bis wieder ein neuartiges Verbindungsmittel, ein neuartiges Berechnungsprogramm oder ein neuartiges Leimsystem auf dem Markt zu finden ist. Die Anlagentechnik in Bezug auf Vorfertigung und Digitalisierung hat sich in den letzten 10 Jahren bereits massiv weiterentwickelt. Meines Erachtens liegen noch viele Potentiale im Bereich der Deckensysteme und im Bereich der Vorfertigung von beispielsweise Außenwandelementen. Zudem würde ich mir noch intensivere Forschung im Bereich der Auswirkungen von Holz auf die Gesundheit des Menschen wünschen.

Wie kann Bauen mit Holz zum Klimaschutz und damit zum Retten der Welt beitragen?

Die Temperatur auf der Erde hängt im Wesentlichen von der CO²-Konzentration in der Atmosphäre ab. Und hier hat die Menschheit in den letzten 100 Jahren (!) eine Konzentration von über 400 ppm verursacht. Zum Vergleich – es gab schon immer „Klimawandel“ auf der Erde, nur bei den letzten Hochtemperaturphasen vor ca. 100.000 Jahren betrug die CO²-Konzentration nur ca. 250 – 300 ppm – also sind die Folgen in den nächsten Jahrzehnten für uns absehbar und lassen mich mit Blick auf meine Kinder nicht tatenlos zusehen.

Jeder Kubikmeter verbauten Massivholzes bindet bis zu einer Tonne CO² langfristig. Das heißt, im Laufe des Wachstums hat ein Kubikmeter Holz der Atmosphäre diese Menge an CO² entzogen, das „C“ gebunden und das O² wieder in die Atmosphäre abgegeben. Sobald ein Baum geerntet wird, wird mindestens ein neuer Baum gepflanzt (Prinzip der nachhaltigen Forstwirtschaft), sodass quasi unendlich Ressourcen zur Verfügung stehen. Innerhalb der 40 – 60 Jahre des Wachstums bis zur Ernte kann ein junger Baum auch deutlich mehr CO² aufnehmen als ein älterer Baum. Dieses Prinzip, gekoppelt mit weiterer Aufforstung und Durchsetzen der Nachhaltigen Forstwirtschaft auch außerhalb Europas, wird eine der wenigen Möglichkeiten sein, den Klimawandel einzubremsen, bis wir es in vielen Jahren zu einer komplett klimaneutralen Gesellschaft schaffen – denn einen anderen Ausweg werden wir nicht haben.

Foto: Anastasia Araktsidou